Samstags noch die letzten Wettkampfvorbereitungen abgeschlossen und das ganze Drumherum so gut es ging genossen. Bike-Checkin, Messe und natürlich die obligatorische Zielgeländebesichtigung. Klarerweise den Wetterbericht immer im Auge, obwohl, ändern kann man ihn ja ohnehin nicht. Eines stand jedoch schon vorher fest, Wörthersee zu warm, so irgendwo bei 25,irgendwas Grad – somit mit Sicherheit kein Neopren erlaubt. Bei der Slotvergabe Zeremonie am nächsten Tag hat der Moderator erwähnt dass über 500 Athleten ihr Bike erst gar nicht eingecheckt haben. Der Respekt vor dem Schwimmen ohne Neopren scheint sehr groß zu sein.
Claudia hat mir wie immer das Rundherum so angenehm wie möglich gemacht, sich um Akemi gekümmert und war auch noch Organisator des extra angereisten Supportteams aus Tirol und Bruck! Da fühlt man sich ja beinahe wie ein Pro – echt der Hammer!
Schwimmen – Gefühl gut und alles ohne Stress. Auch im Lendkanal ging es heuer bedeutend ruhiger zu. Nach 1:12:51 aus dem Wasser, somit über eine Minute schneller als letztes Jahr und das ohne Neo. Gut, so kanns weitergehen.
Wechsel auf Rad eigentlich gut, außer dass mein Nachbar (war schneller beim Schwimmen) mit Rad herausziehen auf einer Seite das Gummiband (mit dem der Schuh am Rahmen fixiert ist, damit man das Rad schneller schieben kann) zerrissen hat. Somit war der Weg bis zur Aufstiegslinie etwas tricky, und auch das Einsteigen etwas schwierig.
Aber dann der Start der Leidensgeschichte, schon nach 1 km bei einer Abzweigung rechts ab Richtung ersten kleinen Berg – eine Bodenwelle und ich höre hinter mit die Trinkflaschen samt meiner gesamten Verpflegung auf den Boden knallen. Was tun? Weiter und 180 km auf Fremdverpflegung setzen oder stehenbleiben, absteigen und die Flaschen aufsammeln. Für mich kam nur 2. in Frage. Danke an den sehr netten Helfer der mich dabei unterstützt hat. Gut 2 Minuten gingen da gefühlt drauf. Realistisch 20 Sekunden. Mit etwas Unsicherheit weiter am Rad, alle paar Minuten gecheckt ob die Trinkflaschen noch da sind, und was merke ich, die rutschen tatsächlich immer ein paar Zentimeter raus – ich sie wieder rein – sie wieder raus – ich sie wieder rein – sie wieder raus. So geht das dann 180 km, total nervtötend. Vor allem das WARUM quält mich, es ist nicht anders als bei allen anderen Wettkämpfen und Ausfahrten – noch nie war das der Fall! Jedenfalls bringt mich das Ganze so aus dem Konzept dass ich anstatt der Vorgabe von 190 – 200 Watt in Summe nur 170 Watt über die gesamte Distanz trete. Somit steht für mich eigentlich auch schon fest dass die insgeheim anvisierten sub10 heute kein Thema mehr sein werden, zumal ich eine Falsche ein zweites mal verliere und somit nochmal stehenbleiben muss die Flasche einzusammeln. Die Motivation verabschiedet sich bis zu einem gewissen Grad. Der aufkommende Gewittersturm mit Sturmböen und Ästen auf der Straße tut seinen Rest. Ich komme gerade noch trocken in die Wechselzone. In der Wechselzone dann Sturm. Teilweise fliegen die Räder von den Haltstangen wenn der Wind die Hochprofilfelgen richtig zu greifen bekommt. Ich hänge mein Bike auf und sehe auf der Uhr. Ein Bikezeit von 5:25:08. 6 Minuten langsamer als letztes Jahr.
In der Wechselzone war klar, sub 10 ade. Motivation null für den Marathon. Im Wechselzelt umgestellt auf Wurstigkeitsgefühl. ABER DANN: raus aus dem Wechselzelt, die Straßen leer, keine Menschen mehr da – logisch – es fliegen Absperrgitter durch die Gegend, Transparente zerreißen, Chaos und Gewittersturm (sogar das Zielgelände musste kurzfristig evakuiert werden). Starkregen und was machen wir 2500 Verrückten? Richtig! Wir biken und rennen weiter, genau! Wir machen weiter! In diesen ersten Laufminuten schaltet mein Kopf von Resignation auf WIE GEIL IST DASS DENN!!!! um und die Beine fliegen nur so dahin. Nach 1 km oder 2, keine Ahnung, läuft man durch eine kleine Unterführung entlang des Lendkanals. Und rate mal wo die ganzen Menschen waren? GENAU, in dieser Unterführung, ein Lärmpegel – unvorstellbar! Gänsehaut, jetzt wieder Gänsehaut, Gänsehaut!!! Claudia, Kathl, Vroni, Mia und Peter brachten das Fass sozusagen beinahe zum Überlaufen. Ein Schweinewetter, Regen von allen Seiten, von oben – von unten. Was machen die 5, stehen da und veranstalten eine Stimmung als ginge es um die Weltmeisterschaft. Beim ersten mal Vorbeilaufen, die Mundwinkel hätten sich am Hinterkopf getroffen wären keine Ohren dagewesen. Der totale Hammer!!! Was für eine Unterstützung! Da muss ich doch alles geben. Also hau ich doch beim Marathon ordentlich einen raus. Also richtig draufgedrückt, KM Zeiten zwischen 4:45 und 4:55. Bis KM 24 geht das alles gut. Dann rebelliert der Magen, die Gels wollen wieder nach oben raus .. Das passiert auch und dann ist vorerst der Ofen aus .. Der Körper sagt: nein, genug. Bis hierhin und nicht weiter. Genau genommen hat er gesagt, bis hierhin laufen .... und nicht weiter. Also weitergehen!!! Der Kopf verabschiedet sich ab diesem Zeitpunkt auch von der PB. Im Gehtempo ist die auch nicht mehr zu knacken. ABER: Dann geh ich halt die letzten 17 km ins Ziel, dauert halt ein bisschen länger. Und da kommt mir Caro G. entgegen und schreit mir etwas Motivierendes zu, ich kann nur mehr den Daumen hoch halten. Ich gehe schneller, dann kommt mir Manuela M. entgegen und ruft „beißen!“ (glaub ich mich zu erinnern) – bin im totalen Zuckerloch. Auch da geht nur mehr Daumen hoch! Die rechte Oberschenkelrückeite krampft, der linke Unterschenkel auch. An Laufen nicht zu denken. Bei mir denke ich, die Mädls sind jetzt auf Runde 1 und waren beim Gewitter noch draussen auf der Radstrecke, der Irrsinn sich da durchzubeißen. Einige 100 Meter weiter laufe ich wieder an. Von da an gehe ich an jeder Labe, jetzt gibt es nur mehr Cola und Redbull. Es hilft, einige Zeit später ist der Blutzuckerspiegel wieder im Normalbereich. Immer wieder bekomme ich beim Wechsel vom Gehen zum Laufen bei den Labestationen Krämpfe. Jemand hat mir mal erzählt dass er den Marathon mit Krämpfen zu Ende gelaufen ist, ich hab mir immer gedacht dass das eigentlich nicht möglich ist – doch ist es! Du hattest Recht Helli! So kämpfe ich mich von Labe zu Labe. Die Fantastic 5 lassen sich auch nichts anmerken, ganz im Gegenteil – die sind total aus dem Häuschen, obwohl ich weiß das Claudia längst weiß was los ist, ohne ein Wort mit mir gewechselt zu haben. Sie sieht es anhand der Zwischenzeiten – es läuft alles andere als rund. Was machen die 5, Zinober Zinober & nochmal Zinober. Das trifft aber nicht nur auf die 5 zu, generell ist das Publikum ein Wahnsinn. An jeder Ecke wird mittlerweile wieder geklatscht, zugerufen und angefeuert. Auch Christoph G. ruft mir was zu, das bekomme ich aber erst Sekunden später mit. Das dauert zu lange bis es durchsackt. Das ist so ca. beim KM 36 oder 37. Irgendwie schaltet sich dadurch aber wieder mein Kopf ein, und ich bin wieder bei der Sache. Ein Blick auf die Uhr, die PB ist nicht unmöglich. Es könnte knapp werden. Der Biss ist wieder da, nach 10 Stunden irgendwas … Der Kopf spielt wieder mit. Ich laufe schneller, bleibe bei der Labe nicht mehr stehen. Die letzten 2 km zum Ziel sind sogar noch richtig schnell. Noch 2 mal abbiegen und dann auf den roten Teppich und auf die Wahnsinnsbühne! Ich schaffe es noch den Zuschauern auf den Tribünen zu applaudieren und reiße die Hände hoch!!! Zum 2. mal heißt es: YOU ARE AN IRONMAN! Und dieses mal empfinde ich es tatsächlich so … Der Wille weiterzumachen obwohl es nicht läuft macht mich zufrieden und in einer ganz besonderen Weise stolz – auch dass ich nicht 1x daran gedacht habe aufzuhören. DNF is no option!!! Das war die kurze Zusammenfassung von: Ironman Austria 2019 – wie der schlimmste Wettkampf zu einem der schönsten wurde!
Jetzt folgt im Anschluss noch die ausführliche Version ;)
Scherz beiseite, an dieser Stelle möchte ich mich bei allen Supportern an der Strecke, den Supportern vor den Apps, und allen die mitgefiebert haben, bedanken. Mein besonderer Dank gilt natürlich den Fantastic 7 von denen es leider nur 5 zur Strecke geschafft haben!!! Natürlich auch an alle Finisher, speziell die mir bekannten, die sich ihr Finish redlich erarbeitet und verdient haben!!! Danke auch an Ben für den grandiosen Trainingsplan!
Swim: 1:12:51
T1: 3:36
Bike: 5:25:08
T2: 4:24
Run: 3:42:06
Total: 10:28:02
Ein kleiner Nachsatz: Wer sich Motivation für den nächsten Wettkampf holen möchte sollte sich mal die Slotvergabe anschauen, Emotionen pur! Ein Spanier wäre wirklich beinahe ausgeflippt, nach 25 Jahren Trainings und Ironmans hat er es in Klagenfurt geschafft die begehrte Hawaii Quali zu lösen!
Das ist Triathlon!!!
https://lcbasecampwipptal.at/index.php/news/item/282-ironman-austria-2019#sigProIdb3e3c007de