Ironman Austria - You are an Ironman!

4:00 Uhr. Der Wecker klingelt. Sofort bin ich hellwach. Als hätte ich alles schon 1000 mal gemacht, spulte ich meine Routine ab.

Aufstehen, Schlafshorts gegen Wettkampfanzug getauscht, Zähne putzen, Vaseline, Sonnencreme, Frühstück, ab ins Auto! Gut eine Stunde und 15 Minuten Autofahrt trennen mich noch von meinem 1. Start bei einem Langdistanz Triathlon. 3,8 km Schwimmen, 180km Radfahren und ein abschließender Marathon sollten es heute werden. Aufbruch ins Ungewisse!

Gestern bereits in Klagenfurt gewesen und die Startunterlagen abgeholt, Bike eingecheckt und kurz im Wörthersee geschwommen um das Feeling zu bekommen, sofern ich bei meinen Schwimmkünsten von Feeling sprechen kann. Die letzten Tage waren grundsätzlich von eher kurzen aber dafür intensiven Trainingseinheiten bestimmt. Formzuspitzung denke ich. Mal schauen was das alles heute bringt.

Gerade noch rechtzeitig kommen wir in Klagenfurt an, schnell noch in die Wechselzone die Getränke aufs Rad schnallen, die Gels in die Box und die Schuhe montiert. Laufschuhe ins Wechselsackerl und auch schon wieder raus aus der Wechselzone. Es ist schon 6:15 Uhr. Der Start der Profis ist um 6:50, meiner so gegen 7:10 und ich bin noch ca. 1 km vom Start entfernt, noch nicht umgezogen. Langsam fang ich an am Rad zu drehen.

Claudia, der Fels in der Brandung, beruhigt mich. Ich ziehe den Neo an, Claudia übernimmt alle Kleidungsstücke und wird sie retour zum Auto bringen. Mir fehlt dazu die Zeit und die Nerven. Auf dem Weg zum Strandbad, wo der Start stattfindet, ein Schuß! Die Profis sind am Weg - das heißt ich habe noch ca. 20 Minuten bis ich ins Wasser muß. Schnell noch von Claudia verabschiedet und schon bin ich in meinem Tunnel, die Umwelt ist ausgeblendet. Ich suche mir einen Bereich wo ich abseits des Start noch schnell ins Wasser kann um den Neo zu fluten und somit den ersten Kälteschock hinter mir zu haben.

Dann in die Reihe! Claudia ruft mir nochmals zu, sie ist wieder retour - es ist sich knapp ausgegangen dass sie beim Start dabei sein kann! Das gibt mir nochmals die nötige Ruhe und ich konzentriere mich auf meine Atmung. Ruhig und gleichmäßig, bloß nicht von Anfang an in Panik verfallen sobald Du im Wasser bist! Ich bin dran, muß über den Zeitmessteppich und somit werde ich auf eine ca. 11 Stunden lange Reise geschickt (das jedenfalls hab ich mir im Kopf ausgemalt - könnte sich ausgehen)

Knöchel haben Wasserkontakt - jetzt zählt es!

Ruhig und gleichmäßig versuche ich meine Kraulzüge zu machen. 3er rechts, 3er links, 2er links und nach vorne sehen ob ich richtig bin. Es klappt ganz gut, außen dass ich 2er links, 3er rechts, 2er links, 2er links, 3er rechts, 2er links schwimme und garnicht nach vorne schaue. Wie immer schwimme ich meine Kurven immer wieder die Optimallinie kreuzend. Dennoch ist für mich so ok und ich fühle mich nicht gestresst. Nur bei den Wende und Richtungsbojen bekomme ich immer wieder mal eine aufs Aug, den Kopf, die Beine, die Schultern oder die Mütze. Das ist halt so .. da muß man durch, und wenn es einem zuviel wird muss man selbst mal austeilen, dann halten die Kollegen schon mehr Respektsabstand ein.

Beinahe Ertrinkungstod im Lendkanal

Hat mir niemand gesagt, dass es im Lendkanal rundgeht wie in einem Boxring. Jeder Meter wird umkämpft. Ungelogen wäre ich beinahe ausgestiegen, 3x richtig unter Wasser gedrückt worden und ordentlich Wasser geschluckt. Das schöne, von Schlamm, Sonnencreme und sonstwas durchtränkte Wasser. Irgendwie hab ichs aber dann doch bis zum Ausstieg geschafft, wieder auf den Beinen hats mich im Tunnel, der durchs Seeparkhotel führt, gleich mal der Länge nach auf den Bauch gelegt. Der Teppich ist naß ganz schön rutschig. Egal, aufstehen und weiter Richtung Wechselzone!

180 km Bike - zwischen Himmel und Hölle

 1 Runde gleich ordentlich Magentroubles, dank des guten Seewassers vermute ich. Bis zum Rupertiberg immer wieder leichte Magenkrämpfe, an Verpflegung war nicht zu denken. Am Rupertiberg ein Boxenstop im Dixi. Probleme am Rupertiberg gelassen. Danach gings mit dem Magen besser, jedoch die Leistung fiel immer mehr ab, sicherlich auf den fehlenden Energienachschub zurückzuführen. In der 2 Runde dann versucht die Energielücken wieder zu schließen, um noch genug Körner fürs Laufen übrig zu haben.

42 km - Lauf der Qualen und Lauf im 7. Himmel

Wie kann ich den Lauf am besten beschreiben? Die ersten 5 km mit unter 4:45 min/KM waren wie auf Wolken ohne jede Anstrengung. Auch Dank der Zurufe der 1000en Zuschauer und Claudia, sowie Julia und Thomas. Dann an der eigenen Nase gepackt: "Das kann nicht gutgehen!" Also Tempo raus. 5:20 war die Marschrute. So gut es ging daran gehalten. Mal etwas schneller, mal etwas langsamer. Aber bis Halbmarathon ging das noch gut. Zum Halbmarathon läuft man genau 2 Meter neben der Finishline entlang auf die 2 Runde. Ab diesem Zeitpunkt war es für mich dann Kopfsache. Mein Mantra: Jeden Meter den du jetzt auf der 2. Runde läufst, den läufst du heute zum letzten mal! Das hat bis km 32 ganz gut geklappt, ab dann geht es aber wieder Richtung Klagenfurter Innenstadt und man läuft vom Ziel weg, gefühlt bergauf und mit Gegenwind. Dann kommt man in der Klagenfurter Altstadt zum Wendepunkt. Ab diesem Zeitpunkt sind es noch ca. 6 km bis zum Ziel. Bergab und mit Rückenwind. Jeder Läufer den ich überhole weil er bereits in den Gehmodus verfallen ist, gibt mir zusätzlich Motivation. "ICH WERDE NICHT STEHENBLEIBEN" - "ICH WERDE NICHT GEHEN" - "ICH WERDE NICHT STEHENBLEIBEN" - "ICH WERDE NICHT GEHEN" - "ICH WERDE NICHT STEHENBLEIBEN" - "ICH WERDE NICHT GEHEN" - "ICH WERDE NICHT STEHENBLEIBEN" - "ICH WERDE NICHT GEHEN" !

Immer und immer wieder kaue ich mir diesen Satz vor. Fast schon wie eine Schallplatte die springt. Kurz fällt mir eines meiner Lieblings-Stimmungslieder ein: Der Text lautet: There are the days of mircales and wonders - und in meiner Fassung - There is a long distance to go! Weg mit dem Gedanken aus dem Kopf!

3km vor Ziel dann an der Oberschenkel das schleichende Gefühl dass bei einer falschen Bewegung wohl ein Krampf unausweichlich sein würde, Schonganglauf ist angesagt. Irgendwie, Hauptsache "ICH WERDE NICHT STEHENBLEIBEN"

2km vor Ziel: Egal was passiert, ich komme ins Ziel!!
1,8 km vor Ziel: Hoffentlich komme ich noch ins Ziel!
1,7 km vor Ziel: Ich komme ins Ziel!!!
1,6 km vor Ziel: Nein das geht nicht mehr ....
1,5 km vor Ziel: JA! ES GEHT!
1,2 km vor Ziel: Ich bin am Ende! Ich muss jetzt gehen ...
1,0 km vor Ziel: JA! Ich werde nicht gehen! NIEMALS!
0,6 km vor Ziel: man biegt um eine Rechtskurve und ist wieder paralell zur Finishline!
0,5 km vor Ziel: Es geht. Es geht! GÄNSEHAUT!
0,4 km vor Ziel: GÄNSEHAUT!
0,3 km vor Ziel: GÄNSEHAUT!
0,2 km vor Ziel: GÄNSEHAUT!
0,1 km vor Ziel: GÄNSEHAUT!
0,05 km vor Ziel: Moderator: "YOU ARE AN IRONMAN!" <---- in diesem Moment wo ich diese Zeilen schreibe habe ich wieder am ganzen Körper Gänsehaut!

Ziel: Ein Wechselbad der Gefühle: Soll ich lachen, weinen, schreien, jubeln, weinen, lachen, umfallen, lachen, jubeln? Alles so irreal! Ich bin nicht müde, ich bin erschöpft aber nicht am Ende meiner Kräfte. Ich lache, klatsche mit anderen Athleten ab, feiere andere und mich selbst. Unbeschreiblich, einfach immer wieder hallt es durch meinen Kopf: YOU ARE AN IRONMAN!

Danke an alle die mit mir mitgefiebert, mich beklatscht, bejubelt oder einfach nur an mich gedacht haben! Jeder Daumen der gedrückt wurde, wurde auch nötig gebraucht! DANKESCHÖN!!!

Swim: 1:13:50
T1: 4:47
Bike: 5:19:19
T2: 3:23
Run: 3:50:00
Total: 10:31:17

Weitere Bilder und Videos sind hier online - besonders zu empfehlen ist das Video der Finishlineparty - eine Finisherin feiert sich selbst um knapp vor 12:00 Mitternacht mit einem Tänzchen - echt der Hammer! https://www.facebook.com/re.tho.tri/posts/10216448998515734?notif_id=1530708185967541¬if_t=feedback_reaction_generic

10 Jahre LC Basecamp 01